Leserbrief zur Begabtenförderung

Veröffentlicht am 10.07.2007 in Bildung

Steffen Barthels (stellv. Juso-Landesvorsitzender) und Reik Högner (stellv. Vors. Jusos-Oberhavel) - beide angehende Lehrer – diskutieren über Begabtenförderung und Alternativen für Leistungs- und Begabungsklassen.

Reik Högner: Stichwort Begabtenförderung

Steffen Barthels: Jede Schülerin und jeder Schüler hat das Recht, eine bestmögliche Unterstützung und Förderung zu erhalten. Wenn Schülerinnen und Schüler in bestimmten Fächern oder Teil-Disziplinen besonders stark sind, dann macht es durchaus Sinn, Begabungen individuell auszubauen. Dennoch – jedes Kind hat Anspruch auf eine umfassende Förderung. Es muss in allen Neigungen, in seinen Stärken und aus seinen Schwächen gefördert werden

Reik Högner: Nun hat das Land ein „System zur Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Begabungen“ eingerichtet, von dem eigentlich nur eine Säule, die „Leistungs- und Begabungsklassen“, im Brennpunkt der öffentlichen Debatte steht.

Steffen Barthels: In der Debatte um die Einführung von „Leistungs- und Begabungsklassen“ - wie wir sie erlebt haben - ging es zunächst nicht um eine allgemeine Begabungsförderung, sondern um eine Hochbegabtenförderung im Besonderen. Name und Inhalt des Instruments verfehlen leider den eigenen Ansatz. Sollen die speziell einzurichtenden Klassen allgemein leistungsstarke Schülerinnen und Schüler fördern oder aber hochbegabte Kinder? Hier besteht - so denken wir - ein Unterschied.

Reik Högner: Der Kreistag hat die Einführung der „Leistungs- und Begabungsklassen“ in Oberhavel abgelehnt. Auch wir lehnen diesen Ansatz ab. Bringen wir unsere Argumente noch einmal auf den Punkt.

Steffen Barthels: Noch einmal: jedes Kind hat das Recht auf eine umfassende Förderung. Dies nur einer Kleinstgruppe einzuräumen - das ungerechte Auswahlverfahren einmal außen vor gelassen - wäre im höchsten Maße unsolidarisch. Bei Einrichtung einer Leistungs- und Begabungs-Klasse im Süden des Landkreises wären zudem alle Schülerinnen und Schüler des Nordkreises benachteiligt.
Das LuBK-Angebot kann auch nur den Schülerinnen und Schülern wirklich empfohlen werden, deren Begabung genau mit dem Profil der einen im Landkreis eröffneten LuB-Klasse übereinstimmt. Das heißt, entweder fördern wir nur alle Sprachgenies, alle naturwissenschaftlichen oder Mathematik-Asse, alle musisch-ästhetischen Pfiffikusse oder alle Schülerinnen und Schüler, die in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern Spitzenleistungen erbringen. Wer soll das entscheiden? Sind die anderen Begabten weniger wert?

Reik Högner: Neben den LuBK und den „Stützpunkten der Begabtenförderung“ kommen zwei wichtige Säulen des Landeskonzeptes bisher nicht zur Sprache. Existieren nicht mit der Etablierung der 1) „Identifizierung und integrierten Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Begabungen an allen Schulen des Landes“ und 2) Schaffung der „spezifisch auf Begabtenförderung ausgerichteten“ Zusatzangebote (wie Schülerakademien, Wettbewerbe, Arbeitsgemeinschaften, E-Learning-Angebote und wissenschaftlichen Kooperationen) zwei adäquate Instrumentarien, die die Leistungs- und Begabungsklassen überflüssig machen könnten?

Steffen Barthels: Genau, eine adäquate Förderung ist unserer Meinung nach durch zusätzliche Angebote vor allem an den Grundschulen umzusetzen. Dafür benötigen die Schulen jedoch eine Verbesserung ihrer Ausstattung und Ressourcen. Kleinere Klassen, mehr Lehrpersonal, mehr Platz, vor allem aber auch ein Budget, mit welchem die Lehrerinnen und Lehrer eigenständig zusätzliche Lehr- und Lernmittel anschaffen, Exkursionen und Referenten finanzieren können. Alles Punkte, die die Jusos-Oberhavel bereits in einem Positionspapier aufgezeigt haben.

Reik Högner: Wer an dem MAZ-Forum in der Oranienburger Orangerie teilgenommen hat, konnte erfahren, dass ein Konsens über die wahre Bildungsmisere spürbar war. Kurios war, dass der bildungspolitische Sprecher der CDU, Ingo Senftleben, sich so verwundert über die Streitkultur in Oberhavel gezeigt hat.

Steffen Barthels: Selbstverständlich wurden damals die richtigen Probleme aufgeworfen und andiskutiert. Knappe Landeskassen verwehren den Pädagogen eben die Ressourcen, was auch dazu führt, dass unausgereifte Teilinstrumente der bildungsinteressierten Öffentlichkeit präsentiert werden. Man kann die Eltern, die nur den besten Bildungsweg für ihre Kinder erreichen wollen, durchaus verstehen, wenn sie in dieser möglichen Leistungs- und Begabungsklasse in Oberhavel einen Strohhalm sehen.
Apropos bildungspolitische Arbeit und Streitkultur – die wurden uns übrigens von anderer Seite in Person von Klara Geywitz, bildungspolitischer Sprecherin der SPD, sehr positiv für Oberhavel bescheinigt – trotz der Ablehnung ihres Konzeptes LuBK.

Reik Högner: Diese Streitkultur wäre doch ein Ansatzpunkt für eine gemeinsame Arbeit. Wir werden für eine Ablehnung des LuBK-Gruppenantrages bei der heutigen Kreistagssitzung werben. Denn wer einseitig LuB-Klassen fordert, fördert das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft. Dennoch ist eine kreisweite Anstrengung nötig für ein sozial gerechtes Konzept, dass – wie du es angesprochen hast – die Kinder in ihren Stärken und aus ihren Schwächen fördert. Eine kreisweite Anstrengung unter Einbeziehung der Lehrer, Eltern und wissenschaftlicher Unterstützung, beispielsweise durch die Lehrerbildungsstätte Universität Potsdam. Die Kreisverwaltung steht für uns als federführendes Organ besonders in der Pflicht.

Steffen Barthels und Reik Högner für die Jusos-Oberhavel

 
 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nordbahngemeinden mit Courage